„We‘re just trying to push things further…”

Ein Interview mit Peaches

Peaches ist musikalisch und politisch eine Ikone. Sie kämpft gegen Körper- und Gendernormen und propagiert eine Welt, in der alle ohne Angst verschieden sein können. Ihre Musik wird in South Park und True Blood gefeatured, sie arbeitet mit Pink und Christina Aguilera zusammen, während Madonna, Lady Gaga und Britney Spears sie als wichtigen Einfluss nennen. Wir sprachen (noch vor den US-Wahlen) mit Peaches in Berlin.

Straßen aus Zucker: Unsere neue Ausgabe fragt, wie wir leben wollen. Und das hat eine Menge damit zu tun, Gendernormen, die kapitalistische Produktionsweise und andere unschöne Dinge abzuschaffen. Zeigt uns dein Video „Rub” deine Utopie einer Welt ohne Binaritäten*?

Peaches: Ja, das war ein Versuch einen Schritt dahin zu wagen. Nicht nur darüber zu reden, sondern es zu leben – zumindest für ein Wochenende.

Wie hast Du Dich danach gefühlt? Dachtest Du: OK, das Wochenende war der Vorgriff auf etwas Neues, aber jetzt muss ich wieder in die „real world”?

Klar, wir alle haben in dieser Welt zu leben. Gemerkt habe ich es auch dadurch, dass über das Video zwar viel Positives geschrieben wurde, aber darunter viele fürchterliche Kommentare standen. Das führt zur Neuvermessung der schönen „bubble”, in der du lebst. Du überlegst, wie weit du es treiben magst, wie manche Menschen es nie verstehen werden, andere hingegen, die noch unentschlossen gegenüber dieser Freiheit sind, inspiriert werden…

Wir haben bei der Ausgabe viele Diskussionen gehabt, inwieweit sich die Gender-Binaritäten im Kapitalismus schon abschaffen lassen oder für die Reproduktionssphäre wichtig sind – oder inwiefern der Kapitalismus sogar die emanzipatorischen Bemühungen umlenkt oder kapert, um effizienter und flexibler zu laufen, aber ohne wirkliche Verbesserungen zu bringen. In diese Richtung gehen ja auch viele Diskussionen, in denen Beyoncé dann auch vorgeworfen wird, ihr seit Kurzem entdeckter Feminismus sei in erster Linie Marketing.

Das macht mich echt traurig, wenn Leute so reagieren. Beyoncé ist eine der reichsten Frauen der Welt und hat so etwas überhaupt nicht nötig. Ich glaube, sie interessiert sich wirklich dafür. Und dann gibt es andererseits natürlich auch Trends, die man kritisch betrachten muss. Zum Beispiel muss gerade jede Show eine Transgender- oder Intersex-Person haben.

Aber wenn diese Trends das Leben von Leuten verbessern, sind die doch erstmal cool!

Ja, genau, das ist kein schlechter Trend. Aber das muss man schon immer im Kopf haben und man muss schauen, ob das wirklich Verbesserung bedeutet und es zum Beispiel wirklich mehr Ärzte für Transgender gibt, mehr Unterstützung, ob es wirklich ernst genommen wird.

Lass uns nochmal über die „bubble” sprechen. Wir lieben es sehr in der linken Blase zu leben, in der es zumindest den Anspruch gibt, kein slut-shaming zu betreiben, wo Gender-Rollen durchlässiger sind und du dich nicht rechtfertigen musst, keine erfolgreiche Karriere zu machen. Aber selbst dort gilt der Versuch nur für kleine Bereiche, zum Beispiel geht es sehr selten um die Frage der Körpernormen.

Ich glaube, es bleibt nur, das weiter einzufordern. Und auch gleich zu Beginn zu sensibilisieren, bereits in der Kindheit klar zu machen, dass es schön ist, dass es Menschen in verschiedenen Formen und Größen gibt. Ich glaube, es wird immer Leute geben, die das nicht schön finden. Aber wir versuchen trotzdem, die Dinge voranzutreiben. Ich bin gerade viel auf Festivals, das mag ich recht gern, weil es dort zu – gefühlt – 80 Prozent ein weißes, männliches Publikum gibt, die mich als echt mal anders wahrnehmen. Die haben halt den Festivalpreis bezahlt, wollen da alles mitnehmen und kommen dann auch zu meinen Auftritten. Zuerst denken viele: „Oh no, was wird passieren”, um dann danach viel Spaß zu haben. Und ich finde das super, weil es sehr inklusiv ist. Ich möchte niemanden verschrecken, sondern auch jenseits der bubble spielen und diese damit vergrößern. Die kamen irritiert und gehen mit einem guten Gefühl.

Du sagst, dass politische Arbeit manchmal anstrengend ist. Was ist deine Motivation trotzdem weiter zu machen?

Mir machts einfach Spaß. Und selbst, wenn wir bereits Utopia erreicht haben, wäre es schön, die Lieder als eine Form des Feierns zu nutzen. Und in genau dieser Weise habe ich „Rub” verstanden, als ein Porträt der Situation nach den Kämpfen…


*Geschlechter-Binarität:
Binär ist ein System, in dem es nur zwei genau voneinander abgrenzbare Zustände gibt. In einem binären System gibt es kein Dazwischen und kein Vielleicht. Bezogen auf Geschlecht heißt das: Ein binäres Verständnis von Geschlecht nimmt an, dass es nur genau zwei Geschlechter gibt, und dass diese scharf abgrenzbar sind. Es stößt dort an Grenzen, wo Menschen nicht klar in dieses Entweder-Oder eingeordnet werden können oder wollen.