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Same same but different?

Zum Wandel im deutschen Rassismus
Sie mussten sich schon als besonders mutige Tabubrecher und Opfer einer angeblich linken Mehrheitsgesellschaft darstellen: Die „Das-wird-man-doch-noch-sagen-dürfen-Fraktion“ aus Sarrazin oder Buschkowksy und wie sie alle heißen, muss sich durchaus für ihre Hasstiraden rechtfertigen. Gut, mit ihren Büchern machen sie ordentlich Geld, aber einfach so gegen Migrant_innen zu hetzen, wird selbst von der CDU nicht (mehr) gern gesehen. Man will ja schließlich kein Nazi sein. Darüber hinaus existieren ungezählte Anti-Rassismus-Kampagnen, die von staatlicher Seite gefördert und unterstützt werden. Und im Sommer 2015 wurden an den Bahnhöfen in München und Frankfurt ankommende Geflüchtete bejubelt und Unzählige engagierten sich ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit. Ja, selbst die sonst so hetzerische „Bild“-Zeitung brachte eine arabischsprachige Beilage für Flüchtlinge in Berlin heraus und verwendete den Slogan und Hashtag #refugeeswelcome, der bisher nur auf Pullis von antirassistischen Aktivist_innen prangte. Ist Deutschland als neuer „Willkommensweltmeister“ eine Nation mit antirassistischem Konsens geworden?
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Lechts, rinks – extrem verwirrend

Warum es weiterhin Sinn ergibt, von „links“ und „rechts“ zu sprechen.
„Links“ und „rechts“ – beim Radfahren ganz praktische Begriffe, aber sind die politisch noch aktuell? Immer wieder ist zu hören, dass das verstaubte Kategorien seien, wir stattdessen in einem „postideologischen“, „postpolitischen“ Zeitalter leben würden. In letzter Zeit haben Bewegungen wie die „Montagsmahnwachen“ oder „PEGIDA“ stets betont, dass sie weder links noch rechts seien – nur in Sorge um Frieden, Volk und Vaterland. Die sogenannte „Extremismustheorie“ (siehe SaZ #3 und die Broschüre „Geheimdienst gib’ Handy) trägt ihr Übriges dazu bei: Sie behauptet, dass sich die beiden „Extreme“ links und rechts letzten Endes ähneln und annähern und beide in gleicher Weise die heile Mitte der Gesellschaft bedrohen. Diese gleichmachende Einstellung hat Konsequenzen: Politiker_innen quasseln zum Beispiel von „Linksfaschisten“, Projekte gegen Nazis müssen sich unter anderem von links abgrenzen, um staatliche Fördergelder zu erhalten. Die SaZ hingegen grenzt sich nicht ab, sondern präsentiert sich bekanntermaßen als linkes, ja links-radikales Blättchen. Aus welchen Gründen wir das tun, wollen wir hier erklären.
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SaZ # 11 ist da!

Sie ist da! SaZ No 11 erschienen

Straßen aus Zucker sagt ja gerne mal, wie’s is. Das ist uns selten so schwer gefallen wie jetzt, because it’s fucking complicated! Besorgte Eltern protestieren noch im Jahr 2015 für Homophobie in der Schule. Im gleichen Jahr tragen mitten in Berlin mehrere tausend abgedrehte Christen Kreuze auf die Straße und demonstrieren für mehr ungewollte Schwangerschaften. Deutschland, das miese Stück Weltmacht, prahlt mit offenen Grenzen und offenen Armen und verabschiedet Gesetze, die Ausgrenzung von Geflüchteten noch stärker und Asylanträge noch aussichtsloser machen als bisher. Und trotzdem riskieren doch Menschen ihr Leben und durchqueren Länder und Meere, um hier in Sicherheit zu sein. Zum Beispiel vor lebensbedrohlichen Islamisten. Wie können wir gegen diese argumentieren, ohne uns mit den Abendländischen Patridioten gegen Islamisierung die Argumente zu teilen? Was macht überhaupt diese Erklärungen so beliebt, die auf „Angst und Besorgnis“ basieren und auf die Unterscheidung von einem guten „Wir“ und einem bösen „Die Anderen“ hinauslaufen? Warum nicht endlich mal auf gutes Leben für alle und keine Angst für niemand? Verdammt?! Eine Ausgabe voller Versuche, Erklärungsversuche zu erklären. Und eine Ausgabe mit O-Tönen von Menschen, die sich weltweit dem ganzen Schlamassel widersetzen.

Lest hier on­line oder be­stellt euch Aus­ga­ben zum Lesen und Ver­tei­len, an saz@riseup.net.

Cover #11

Interview mit K.I.Z. – „Nach dem Atomschlag wird man eventuell nicht mit einem Feigenblatt durch die Gegend hüpfen“

Wir trafen Maxim, Tarek, Nico und Sil-Yan von KIZ, um über ihr aktuelles Nummer 1-Album, das Leben nach dem Kapitalismus, nervige Interviews, Sprachpolitik und Ironie zu reden.

SaZ: In der Vorbereitung auf das Interview hatten wir uns auf ein Streitgespräch über Gewaltverherrlichung und Sexismus eingestellt. Und dann sahen wir Euer Video zu „Hurra die Welt geht unter“ und wurden erst mal so richtig sentimental. Das Video hat die ganze Sehnsucht auf ein anderes Leben aufflammen lassen, in dem niemand mehr auf Parkbänken schlafen muss, man nur drei Stunden zu arbeiten braucht, Kinder mit „Monopoly“, Konkurrenz und Geld nichts mehr anfangen können und Pässe im Feuer schmelzen, wie es im Lied heißt. Wann habt ihr diese Sehnsüchte nach dem ganz Anderen das erste Mal gespürt?

Sil-Yan: Meine Mutter kommt aus Ungarn und ich bin in Berlin geboren und hab viel Zeit in Ungarn verbracht. Ich konnte also erleben, was es heißt, wenn man nicht von einem Pass Weiterlesen →

Geheimdienst gib Handy!

In der Mitte bleiben, immer in der Mitte bleiben!
Es kann hilfreich sein, sich an diesen Rat zu halten. Wenn Du zum Beispiel in einem Rettungsring steckst. Oder wenn du beim Squaredance die Schritte nicht kannst und nicht auffallen möchtest. Oder wenn Du versuchst, mit einem Strohhalm an die Schokofüllung im Donut zu kommen.
Manchmal macht es aber auch überhaupt keinen Sinn. Der deutsche Inlandsgeheimdienst, der sich Verfassungsschutz nennt, hat diese Losung offenbar als universale Lebensweisheit parat und geht damit als selbsternannter Experte für Demokratie und Extremismus auf Aufklärungstour an die Schulen in Deutschland. Nach seinem Ermessen lässt sich der Leitspruch „Mitte bewahren“ auf politische Sitzordnungen und gebogene Metalle übertragen. An den Rändern des Parlaments oder beim Hufeisenmodell gilt dann: Außen lauert die Gefahr – um himmelswillen, bleib in der Mitte!
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Interview mit Ja, Panik

Dance the ECB – Fight the Game

Anlässlich der VÖ ihres Albums Libertatia trafen wir uns mit den bezaubernden Andreas und Stefan von Ja, Panik zu einem ausgedehnten Kaffeeklatsch über Kuscheltiere und Männlichkeit, Musik und Dorfpfarrer, WG-Leben und Politik. Unerklärlicherweise verschwand das Interview zwischenzeitlich im Archiv. Weil es genau den richtigen Soundtrack für einen kleinen Ausflug nach Frankfurt/Main liefert, sei es der geneigten Leser_innenschaft heute nochmals ans Herz gelegt.

Straßen aus Zucker: In einem früheren Ja, Panik-Interview kommt ein Pyjama-Fetisch zur Sprache. Spielen auch Kuscheltiere bei euch eine Rolle?

Andreas: Ich habe so einen Hasen. Ich glaube, das ist das älteste Ding das ich besitze. Ein kleines Häschen. Und du hast so einen Polster, oder?
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„Gut gespielt, Antifa“

Interview mit Kraftklub

SaZ: Seid ihr immer noch froh, nicht in Berlin zu wohnen?

Kraftklub: Ja, auch wenn wir das letzte Jahr viel da waren und nicht daran gestorben sind, ist es in Chemnitz doch angenehmer.

SaZ: Wohnt ihr in Chemnitz oder in Karl-Marx-Stadt?

Kraftklub: Karl-Marx-Stadt steht im Ausweis. Genau wie Chemnitz. Können wir uns je nach Situation aussuchen.

SaZ: Hattet ihr jenseits der „In Schwarz“ Aktion schonmal Hassis auf?

Kraftklub: Ja.

SaZ: Unsere aktuelle Ausgabe dreht sich um Bildung und Ausbildung. Was hat euch an oder in der Schule am meisten genervt?

Kraftklub: Irgendwann feststellen zu müssen, dass man zwölf Jahre lang versucht hat, möglichst genau das wiedergeben zu können, was die Lehrer erzählt haben. Und dass das der größte Schwachsinn ist, den man anstreben kann.

SaZ: Euer Song „Ritalin / Medikinet“ dreht sich ja auch um Schule. Geht es da um Schulkritik oder ist das eher ein Bild für etwas anderes?

Kraftklub: Klar, da geht es auch um Schulkritik. Wenn du nämlich nicht so gut im Auswendiglernen und -wiedergeben bist wie die anderen, dann stimmt was nicht mit dir. Und wenn was nicht mit dir stimmt, dann solltest du am besten ein paar Pillen dagegen nehmen.

SaZ: In Berlin wurde eine Werbung für eure neue Platte in einer Ad-Busting-Aktion mit einem Antifa-Schriftzug übermalt. Hat euch das eher geärgert oder gefreut?

Kraftklub: Das fanden wir lustig. Gut gespielt, Antifa.

SaZ: Ihr habt mal in einem Interview gesagt, dass es der Antifa nur noch um Style und Action gehe und politische Inhalte keine Rolle mehr spielen würden. Aber macht ihr mit dem Album nicht genau das? Also den Antifa-Habitus und Klamottenstil zu benutzen, weil er cool ist, ihn aber von seinem politischen Kern abzuschneiden?

Kraftklub: Nein! Da ging es nicht um die Antifa, sondern um die Protestkultur. Um Krawalltourismus.
Und Nein! Wir machen nicht genau das. Wir sind uns dem politischen Kern sehr wohl bewusst. Wir sind in Chemnitz aufgewachsen. Harrington-Jacken waren in unserem Umfeld Symbol dafür, Nazis nicht das Feld zu überlassen. Nicht auf der Straße, nicht in der Mode. Erst recht nicht mit einer Symbolik, die sie sich ja zusammengeklaut haben aus der Sharp und Oi! Skin Szene. Wir beziehen politisch Stellung – in unserer Musik und auch abseits davon. Haben wir immer schon gemacht und machen wir weiterhin. Aber man muss auch mal mit Humor an Dinge herangehen dürfen. Vielleicht täte ein bisschen Selbstironie der linken Szene nicht schlecht.

Fack ju Schweinesystem

Warum Schule scheiße bleibt, auch wenn wir fürs Leben lernen (würden)
Fack ju Göthe gehört zu den erfolgreichsten in Deutschland produzierten Filmen. Eine Fortsetzung ist in Planung. Offensichtlich verhandelt er das Thema Schule auf eine Weise, die viele Menschen anspricht. Die Hauptaussage des Films: Schule hat nix mit dem Leben der Schüler_innen außerhalb davon zu tun. Das ist nämlich: Fuck you! Die Schule hingegen: Goethe! Aber ist das wirklich das Problem?

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Wie Klassenzimmer Klassen zimmern

Wir müssen nur wollen?! Über soziale Ungleichheiten und welche Rolle unser Bildungshintergrund dabei spielt.

Wir lernen in unserer Kindheit und Jugend die unterschiedlichsten Dinge, wachsen je nach Bildungshintergrund, finanzieller Situation und Lebensumfeld recht verschieden auf. Das heißt: Soziale Ungleichheiten existieren. Die werden aber zum einen oft verschwiegen und es wird so getan, als könnten Menschen in einem bestimmten Alter eben alle das Gleiche, wenn sie nur wollten. Zum anderen geben den Maßstab immer noch die vor, für die es am einfachsten ist.

Montagmorgen, 1. Stunde: Klassenarbeit in Mathe. Weiterlesen →

Gut, besser, selbstoptimiert

Selbstoptimierung spielt unserer wettbewerbsorientierten Gesellschaft perfekt in die Hände. Gedanken zu einem Phänomen, das uns alles andere als ein gutes Leben beschert.

Der Mitschüler, der am Ende des Schuljahres einen Blumenstrauß erhält, weil er sich von allen in der Schule am meisten verbessert hat. Die Sparkasse, die für jeden Einser auf dem Zeugnis Geld gibt. Der Klausurenmarathon, der ohne den kleinen Konzentrationshelfer Ritalin nicht zu bewältigen scheint. Das Rangeln um begehrte Ausbildungs- oder Studienplätze. Was sind das für Signale?
Das sind ganz klare Signale, die wir alle kennen: Wer etwas erreichen will, muss Leistung bringen – denn nur wer etwas leistet, wird belohnt. Konkurrenz ist in Schule, Ausbildung und Uni allgegenwärtig. Wir wachsen mit der Annahme auf, dass wir die Gestaltung unserer Zukunft selbst in der Hand haben, wenn wir nur gewisse Regeln einhalten – in erster Linie müssen wir Leistung erbringen. Wir definieren uns sehr stark über das, was wir können und das, was wir erreichen wollen. Das Argument: Die Zukunft! Ein Arbeitsplatz! Geld verdienen! Sicherheit!

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